Schiedsgerichtsbarkeit in der Türkei

I. Schiedsverfahren/Arbitration

Ein Schiedsverfahren (Arbitration) ist ein Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten bezüglich eines geschlossenen Vertrages zwischen zwei Parteien vor einem Schiedsgericht.

Die Parteien müssen hierzu vor oder bei Auftreten von Streitigkeiten  vertraglich festgelegt haben, diese vor einem Schiedsgericht auszutragen. Eben diese Schiedsvereinbarung schließt den üblichen Weg zu den staatlichen Zivilgerichten aus. In dieser Vereinbarung werden in der Regel auch die Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen durch die Parteien bestimmt. Es handelt sich bei den Schiedsrichtern in der Regel um erfahrene Juristen, die häufig in manchen Schiedsverfahren als Parteivertreter fungieren und in anderen Schiedsverfahren als Schiedsrichter amten und  besondere Sachkunde, also im Hinblick auf den jeweiligen Streitfall z.B. besondere Rechtskenntnisse, Sachkenntnisse und Sprachkenntnisse besitzen.

Die Parteien wählen grundsätzlich zwischen zwei Arten der Schiedsgerichtsbarkeit, der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit und der ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit. Bei der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit können sich die Vertragsparteien auf eine Schiedsgerichts-Institution einigen. Bekannte Institutionen sind u.a. die ICC, die DIS oder der LCIA. Bei der ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit vereinbaren die Parteien die Streitbeilegung durch ein Schiedsgericht ohne Bezugnahme auf eine Schiedsgerichts-Institution. Die Parteien einigen sich entweder im Voraus oder nachträglich auf die Besetzung des Schiedsgerichts. Das Verfahren wird entweder durch die Parteien (z.B. durch Bezugnahme auf die UNCITRAL Arbitration Rules) oder aber durch das Schiedsgericht festgelegt. Je nach Vereinbarung der Vertragsparteien entscheiden ein oder mehrere Schiedsrichter per Schiedsspruch, welcher an die Stelle eines sonst üblichen Schiedsspruchs tritt.

II. In der Türkei

Das  Schiedsverfahrensrecht der einzelnen Staaten findet sich auf nationaler Ebene.

Das türkische Rechtsystem unterscheidet sich im Bezug auf Schiedsgerichte nicht wesentlich von anderen Systemen. Es ist weitgehend an europäische Standards angepasst.

Die Türkei unterzeichnete im Juli 1992 das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Die Anerkennung und Vollstreckungserklärung  ausländischer Schiedssprüche ist Gegenstand des Art. V des NY Übereinkommens.

Es gilt im türkischen Zivilprozessrecht der allgemeine Grundsatz, dass die Schiedsgerichtsbarkeit für die Lösung der zivilrechtlichen Konflikte wirksam vereinbart werden darf. Die Parteien können auch das vom Schiedsgericht anwendbare Recht im Voraus freiwillig vertraglich vereinbaren. Die Parteien dürfen auch ein ausländisches Recht bzw. deutsches Recht als vom Schiedsgericht anwendbares Recht vereinbaren. Eine solche Rechtswahl wird nach türkischem Recht nicht beanstandet.

Ob und inwieweit in einer inländischen Vertragsbeziehung Schiedsgerichtsbarkeit vereinbart werden kann, wird aber durch den Gesetzgeber nur unvollständig und verstreut geregelt.

Die Vorschriften über die Schiedsgerichtsbarkeit befinden sich in folgenden Gesetzen.

1. Zivilprozeßordnung:

In diesem Gesetz werden nur die Einzelheiten der nationalen Schiedsgerichtsbarkeit geregelt. Das Schiedsgerichtsverfahren muss mit den Artikeln 516 bis 536 der türkischen ZPO vereinbar sein. (Sollte der Verfahrensort in Deutschland liegen, ist eine Übereinstimmung mit Paragraph 1025 ff. Deutsche ZPO erforderlich. Diese nationalen Verfahrensregeln sind in der Türkei sowie in Deutschland dann anzuwenden, wenn das Schiedsgericht seinen Sitz in der Türkei oder in Deutschland hat und eine der Parteien beim Abschluss der Schiedsvereinbarung ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Türkei/Deutschland hat.)

2. Schiedsgerichtsbarkeitsgesetz für Verträge mit öffentlichen Stellen

Das Schiedsgerichtsbarkeitsgesetz regelt die Schiedsgerichtsbarkeit für Verträge zwischen den privatrechtlichen Unternehmen und den türkischen öffentlichen Institutionen. Mit diesem Gesetz wird die Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts selbst in den Verträgen mit dem öffentlichem Sektor anerkannt, vorausgesetzt dass überhaupt ein Bezug ins Ausland existiert. Auch der Begriff des “Bezugs ins Ausland” wird im selben Gesetz definiert. Danach ist der Bezug ins Ausland vorhanden, wenn mindestens ein Gesellschafter der Vertragsparteigesellschaft nach Ausländischer Kapitalförderungsgesetzgebung ausländischer Abstammung ist oder für die Umsetzung des Hauptvertrags Verträge für die Besorgung des ausländischen Kapitals oder Darlehens oder der Sicherheit abgeschlossen worden ist. Diese Definition ist sehr weit und ermöglicht in der Praxis in  fast allen Fällen die Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts (Art. 2 c), obwohl beide Vertragsparteien türkische Rechtspersönlichkeiten sind. Nach dem geltenden Gesetz für direkte ausländische Investitionen mit der Nr. 4875 vom Jahr 2003 ist der Bezug ins Ausland anzunehmen, wenn eine direkte ausländische Investition oder Investor vorhanden ist. Seit 2003 ist eine ausländische Direktinvestition stets zu bejahen, wenn in eine türkische Gesellschaft durch ausländische Rechtspersönlichkeiten vom In- oder Ausland Kapital- oder Sacheinlage eingebracht worden ist (Art. 2).

Die Einschränkung des Gesetzes Nr. 4501 hinsichtlich des Bezuges ins Ausland gilt nur für die Verträge mit öffentlichen Institutionen und ist für die Verträge zwischen den privatrechtlichen Rechtspersönlichkeiten nicht primär anzuwenden. Es kann aber durch die Gerichte analog angewandt werden. Im Falle einer analogen Anwendung ist die Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts in rein privatrechtlichen Vertragsbeziehungen stets zu bejahen, wenn der Bezug ins Ausland nach den oben genannten Erklärungen vorhanden ist.

3. IPR-Gesetz Nr. 5718 vom 2007

Das türkische IPR-Gesetz hat nur Regelungen über die Anerkennung und Vollstreckung der Schiedsgerichtsurteile, welche in den ausländischen Schiedsgerichten ausgesprochen worden sind. Als Voraussetzung für die Anerkennung werden insbesondere die Gegenseitigkeit zwischen den Ländern über die Anerkennung der Schiedsgerichtsurteile (Art. 38 a), ordre public und weitere übliche Anerkennungskriterien gefordert.

4. Internationales Schiedsgerichtsbarkeitsgesetz Nr. 4686 vom 2001 

Schiedsverfahren in der Türkei werden seit 2001 durch das ‘Internationale Schiedsgesetz’ geregelt. Das Gesetz Nr. 4686 gilt nur für diejenigen Verträge, die sowohl ein Bezug ins Ausland haben als auch als Schiedsgerichtsort die Türkei vorschreiben.

5. Fazit Türkei

Im türkischen Recht wird die Möglichkeit der Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts in den Verträgen zwischen öffentlichen Stellen und privatrechtlichen Personen stets zu bejahen sein, wenn der Bezug ins Ausland nachgewiesen werden kann. Da eine solche Einschränkung für Verträge zwischen privatrechtlichen Personen gesetzlich nicht vorgesehen wird, müsste die Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts unter inländischen privatrechtlichen Personen im handelsrechtlichen Bereich nach unserer Meinung sogar ohne die Einschränkung des Bezugs ins Ausland möglich sein.

In der Rechtsprechung fehlen klare Entscheidungen zu dieser Frage. An dieser Stelle muss kurz darauf hingewiesen werden, dass der türkische Kassationshof aufgrund der protektionistischen Annäherungen vielleicht Bezug ins Ausland voraussetzen könnte.

III. Vor- und Nachteile

Schiedsverfahren sind als Verfahren unter Privaten in der Regel vertraulich, so dass keine Geschäftsgeheimnisse an die Öffentlichkeit dringen und auch der Schiedsspruch in der Regel nicht publiziert wird. Mangels ordentlicher Rechtsmittel gegen einen Schiedsspruch, dauern Schiedsverfahren auch nicht so lange wie staatliche Verfahren.

Jedoch haben Schiedsgerichte als privat berufene Institutionen nur begrenzte Kompetenzen. Sie können keine Hoheitsgewalt ausüben, also z.B. weder den Schiedsspruch vollstrecken noch vorläufige Maßnahmen durchsetzen. In solchen Fällen muss um die Mitwirkung eines staatlichen Gerichts ersucht werden. Der Schiedsspruch ist zwar ein Urteil von Privatpersonen, dennoch wird er in den meisten Ländern gestützt auf ein internationales Übereinkommen oder auf nationales Recht gerichtlich anerkannt und dann vollstreckt.

Staatliche Gerichte werden also benötigt, um mit Hilfe der Behörden die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs durchzusetzen.

IV. Schluss

Die weitere Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen fällt den Geschäftspartnern nach einem Schiedsgerichtsverfahren insbesondere aufgrund der geringeren zeitlichen Zäsur und der parteifreundlicheren Verfahrensatmosphäre leichter als nach einem konventionellen Gerichtsverfahren. Daher ist es empfehlenswert, diesen Weg der Streitbeilegung bei Verträgen mit einzubeziehen.

Jedoch sollte nicht vergessen werden, dass wie oben ausgeführt, ein inländisches Schiedsurteil zur Vollstreckung einer Vollstreckungsklausel durch ordentliche Gerichte bedarf. Ein im Ausland erwirktes Schiedsurteil muss hingegen durch ein Anerkennungsverfahren im zu vollstreckenden Land anerkannt werden. Dieses Verfahren kann einige Monate dauern. Bei der Umsetzung ausländischer Schiedsurteile muss diese Zeit mit einkalkuliert werden.

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